Donnerstagsgesellschaft
Haben sie ein philosophisches Haustier; also eine existenzielle Frage, die sich in ihrem Kopf eingenistet hat? Begleitet sie eine wiederkehrende Frage, auf die sie bislang keine zufriedenstellende Antwort gefunden haben, sodass diese Frage immer wieder in ihrem Bewusstsein erscheint?
Dann kommen sie doch gemeinsam mit ihrer Frage zur Donnerstagsgesellschaft! Vielleicht gelingt es in einer gemeinsamen philosophischen Untersuchung die Sache so weit zu erhellen, bis eine Idee aus dem Kernschatten der Frage erscheint und erlaubt sich von der Frage zu lösen.
Eine gute Frage ist wie ein Pfeil, der vom Nicht-Wissen auf ein Wissen-wollen zielt. Eine klar formulierte Frage stoppt die frei flottierenden Gedanken und fokussiert die Geistestätigkeit auf die Fragestellung.
Damit die Frage im Vorfeld präzisiert und ein Donnerstagstermin fixiert werden kann, senden sie bitte ihre Frage vorab per Mail an
Was, wo und wann?
In der Regel jeden Donnerstag von 20 bis ca. 22:00 Uhr, CoHousing-Siedlung Lebensraum, Tannengasse 1 - ausgenommen in der Ferienzeit und in den Wochen, wo der Salon Logos stattfindet. Der Ort und die Beginnzeit können schwanken und natürlich ist auch das aktuelle Thema der Veranstaltung unterschiedlich. Das alles wird hier auf Facebook wochenaktuell angekündigt. Die Details zum Thema stehen im Donnerstags-Blog.
Anmeldung
Eintritt: freie Spende.

Newsletteranmeldung (schöne Textur, Frequenz i.d.R. einmal pro Monat, DSGV-konform)
Details zur Methode der Donnerstagsgesellschaft
Wir wandeln auf Sokrates Spuren. Sokrates, der Sohn einer Hebamme, benutzte die Geburtshilfe oder Entbindungspflege als Metapher. Er übertrug die typischen Tätigkeiten einer Hebamme auf die geistige Ebene und nannte sie Mäeutik. Durch geschickte Platzierung von Fragen, Diagnosen, Interpretationen, Kritik, Konzepte und Ideen versuchte Sokrates, die im Gesprächspartner unbewusst schlummernden richtigen Antworten und Einsichten ans Licht zu bringen. Die Teilnehmer:innen an der Donnerstagsgesellschaft sind Übende, die versuchen sich der Kunstfertigkeit des Sokrates anzunähern.
1) Die existenzielle Frage
Die existenzielle Fragestellung ist der Ausgangspunkt unserer gemeinsamen Übung, die jedoch nur Fahrt aufnimmt und zum existenziellen Denken und Philosophieren ermuntert, wenn das persönliche Problem des Fragenden zum Problem für jeden Einzelnen der Donnerstagsgesellschaft wird. Der/Die Fragende muss akzeptieren, dass sich die Anderen seine Frage allmählich einverleiben, er/sie seine exzentrische Position verliert, und ein egalitärer Teilnehmer im Denkprozess wird.
2) Rückfragen
Damit sich aus der ursprünglichen Frage ein gemeinsames geistiges Kind in Form einer Idee oder eines Konzepts entwickeln kann, müssen die Teilnehmer:innen empfangsbereit werden. Wer Fragen stellt steckt sich an: durch Rückfragen beginnt man sich mit dem Problem zu beschäftigen und bietet ihm eine Herberge.
3) Von Aussagen (Hypothesen, Ideen) zu einem Konzept
Obwohl vielleicht nun alle Beteiligten mit einem Problembewusstsein gesegnet (Empfängnis) sind, bedeutet dies noch lange nicht, dass wir im nächsten Augenblick ein kohärentes Konzept oder eine lebenstüchtige Idee über das Wesen des Problems in den Händen halten. Die geistige Schwangerschaft entwickelt sich mindestens so kompliziert wie die biologische und ist vor allem zu Beginn stets durch einen Abort gefährdet, sodass die Idee nicht mehr heranreifen kann. Folgende Hilfsmittel begleiten und unterstützen den Reifungsprozess:
a) Identifizieren (Diagnose)
Wir untersuchen das existenzielle Problem hinter der Frage. Mit einer Beschreibung des Problems gelangen wir näher zu des „Pudels Kern“, den wir allmählich besser wahrnehmen und identifizieren können. Die Diagnose ist ein erster Haltegriff, der die weitere Vertiefung in das Wesen des Problems ermöglicht.
b) Erklärung oder Interpretation
Die meisten glauben, dass ein Problem ein Störenfried ist und von außerhalb kommt. Das Problem ist dann ein Stiefkind und kein eigenes Kind. Wir dagegen wollen das Problem selbst austragen. Die Erklärung oder Interpretation kann uns helfen die Innen/Außen-Grenze poröser zu machen und den Zweifel über den Sinn der geistigen Schwangerschaft zu zerstreuen.
c) Kritik
Liegt erst einmal eine Aussage (Hypothese) über das Problem vor, müssen wir sie streng prüfen und beurteilen, ob dieser „geistige Fötus“ als gemeinsames Kind, das wir zur Reifung bringen wollen, akzeptiert werden kann. Denn jede Aussage oder Hypothese ist erst einmal eine winzige Unterstellung, etwas, das uns untergeschoben werden soll oder sich in uns einnisten will.
d) Konzept
Ist man in guter Hoffnung bedeutet dies, dass man eine tauglich scheinende Hypothese oder Idee heranreifen lassen und austragen will. Das Konzept ist dann die komprimierte Zusammenfassung einer Idee oder Hypothese, die man in sich aufnimmt wie einen Embryo (etwas Heranwachsendes).
4) Problematisierung
Wir nehmen nichts leicht, sondern machen es uns schwer, weil wir – um im Bild zu bleiben – ein lebenstüchtiges, kluges und schönes geistiges Kind gebären wollen. Und so gehen wir daran die Grenzen des Konzepts auszuloten. Das ethische Problem der Abtreibung, ist auf der geistigen Ebene deutlich kleiner als auf der biologischen. Der Geist - sofern er Spielraum hat - ist viel beweglicher als der Körper, sodass wir nun durch Zerstörung, Vernichtung und Abtreibung des Konzepts seine Gegenpositionen und alternativen Möglichkeiten ins Blickfeld nehmen und den dialektischen Weg zum Weiterdenken frei machen. Vielleicht erscheint dann ein modifiziertes Konzept oder gar eine veränderte Fragestellung, die eine erneute gemeinsame geistige Tanzbewegung ermöglichen. Das, was dem Fragenden zu Beginn abverlangt wurde, wird stets allen aufgebürdet; nämlich die Selbstdistanzierung von eigenen Aussagen und ein Lagewechsel auf die Gegenseite.
Grundhaltung oder Gesinnung der Donnerstagsgesellschaft
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Drum ist’s Pflicht, dem Gemeinsamen zu folgen. |
Wie bei der Erotik geht es nicht darum in rasanter Fahrt einen Höhepunkt zu erreichen. Die Lust am Denken lebt in der dynamischen Gegenwart und orientiert sich nicht an einem statischen Endergebnis. Wie bei der Zen-Meditation gibt es kein Ziel, das erreichbar wäre, weil das Perfekte das Ende der Bemühungen bedeutet und unmöglich ist. Bedenke: Der erfolgreichen Zeugung eines Kindes, folgt die Mühsal der Aufzucht und Erziehung.
Die geforderte Anstrengung beim gemeinsamen Denkprozess rührt daher, dass wir möglichst schöne und erhabene Geisteskinder zeugen wollen, doch wird das Ergebnis stets von den am Prozess beteiligen Eltern abhängen. Wir sind Übende, die sich am eigenen Schopf packen und versuchen sich Stück für Stück aus dem uferlosen Sumpf der Existenz herauszuziehen. Jene die meinen, schönere Kinder zeugen zu können als der Rest der Gruppe, sollten bedenken, dass sie für die Fortpflanzung Partner brauchen. Daher könnten sie Wohlwollen zeigen und Freude empfinden, wenn sich andere hier abmühen ein Stück weit aus dem Sumpf ihrer wirren und ungeordneten Gedanken zu kommen.
Wir machen die Geisteskinder selbst, wir nehmen eine existenzielle Position ein. Wir sprechen aus, was wir denken und lassen niemand anderen für uns denken; keinen Gott, kein Genie, kein Idol, nicht Mutter, Vater oder Großelternteil. Unsere Sorge gilt allen voran der verhüllten Wahrheit. Ihr wollen wir näherkommen, sie wollen wir entbergen, auch wenn wir dabei in schmerzlicher Weise unsere Schwächen entdecken. Die Qualität der Verbindung einer Idee oder eines Konzepts zum Sein ist entscheidender als die Quantität der Verbindungen. Kein Konzept, keine Idee kann jemals ein Allheilmittel (Panazee) sein. Wir müssen eher herausfinden, wo die Grenzen des Konzepts liegen; was eine Idee nicht ist, wo ein Konzept nicht mehr gültig ist. Die Abwesenheit der Gültigkeit ist wichtiger als die Gültigkeit, denn die Möglichkeit der Falsifizierung ist die Bedingung für Wissenschaftlichkeit.
Spielregeln
Es ist ein Spiel mit Gedanken und wie in jedem Spiel gibt es Regeln und hier auch einen Spielleiter, der die Regeln definiert (und mitunter adaptiert), auslegt und einen Regelverstoß anzeigt. Die wichtigsten Grundregeln sind
1. Konzentration: also (Mit)Denken, das Wort erhalten und erst dann sprechen. Und zwar im Bewusstsein, dass man sich durch die Rede der Welt öffnet und ihr die eigenen Worte ausliefert. Daher strebe nach maximaler Klarheit und Relevanz deiner Wortmeldung, sodass deine Sätze die Sache emporheben können. Wiederholungen sind zu vermeiden, denn sie heben oft das Falsche empor – die Wahrheit verabscheut Werbeslogans.
2. Die Position des Sprechbeitrags entlang der vorgegebenen Struktur (Konzept oder Problematisierung, sowie deren Unterkategorien) überlegen, einordnen und zu Beginn benennen.
3. Geduld mit den Anderen und dem Prozess. Der Konsens ist weniger wichtig als die Kohärenz des Konzepts oder der Idee. Die gemeinsame Arbeit an der Idee stellt peu à peu Einheit her.
Eine gehörige Portion an Geduld ist notwendig, um dem Denken beim Denken zusehen zu können. Die Metaebene des Denkens; das ist Philosophie und sie braucht einen trainierten, ja übertrainierten Geist, der in der Lage ist, sich selbst beim Denken zu beobachten. Der Geist muss wahrnehmen können, wie die Denkbewegung beginnt, wie sich der Gedanke entfaltet, wo er gebremst wird, wann er gezwungen wird Fahrt aufzunehmen, wann er die Richtung wechselt. Er muss wissen wie diese Weggabelung der Widersprüche beschaffen ist und warum das Denken eine Richtung bevorzugt und die andere vernachlässigt. Man konzentriert sich auf das Unmögliche; nämlich zugleich drinnen und draußen zu sein. Wir üben uns am geistigen Spagat, der in einer Synthese von Sprechen und Denken besteht, wie Hegel sagt. Wenn die Übung gelingt, wissen wir was wir sagen und hören auf zu plappern.
4. Eine Kritik und Umgestaltung der Regeln ist möglich, sofern plausible und rationale Argumente dafürsprechen und die Zeit für so eine Debatte für alle zum Greifen nahe ist und erfolgsversprechend, mit veränderten Regeln, beendet werden kann. Weitgehend unveränderlich bleiben die Regeln der Logik:
a. Identität: A ist A
b. Widerspruchsfreiheit: A kann nicht gleichzeitig A und nicht A sein.
c. Das ausgeschlossene Dritte: Alles, was ist, ist entweder A oder nicht A.
d. Satz vom zureichenden Grund: Alles, was ist hat einen Grund, nichts geschieht unbegründet.
e. Die Dialektik – die dynamische Philosophie des Werdens – kann die statischen logischen Regeln übersteigen.
Die Donnerstagsgesellschaft ist eine Einladung zum Geistestraining. Sie ist zugleich eine Leistungsschau der praktischen Philosophie; denn hier wird die Befreiung durch Denken geübt.